"Warum?"

Ich durfte als Kind nie richtig wütend sein, ich hatte es nie gelernt und nie ausgelebt. Alles was ich als Ausdruck meiner Emotionen gelernt hatte, war zu Weinen. In den letzten Monaten kam mir immer häufiger die Frage nach dem "Warum?". Warum fühle ich so viel? Warum kann ich immer nur weinen? Warum bin ich wie ich bin und warum fühle ich mich nie gut genug? Grundsätzlich Thematiken die mich schon seit Jahren begleiten, aber die aktive Frage nach dem "Warum?" kam erst vor ein paar Monaten auf. Die Kunst begleitet mich schon ein Leben lang, und immer wenn er mir nicht gut ging, habe ich gemalt. Es hat mir nur irgendwie nie wirklich geholfen, weil ich alles perfekt und schön machen wollte, und am Ende ging es mir schlechter als davor. Also habe ich das Malen für einige Monate aufs Eis gelegt, obwohl es immer ein großer Teil von mir war. Doch dann, vor ein paar Wochen, ging es mir an einem Abend nicht gut, und eine Situation hat das Fass dann zum Überlaufen gebracht. Auf einmal war ich richtig wütend und habe geistesgegenwärtig zu meiner größten Leinwand gegriffen und einfach drauf los gemalt. Ohne groß nachzudenken, einfach aus der puren Wut heraus. Nach knappen 90 Minuten hatte ich auf einmal dieses Gemälde vor mir liegen, und als ich es zum ersten Mal aus der Ferne betrachtet hatte, kam auf einmal ein Schwall der Erleichterung über mich und die Tränen konnten fließen. Ich hatte zum ersten Mal wirklich Wut gefühlt, sie zugelassen und über meine Hände in das Gemälde fließen lassen. Pure Emotionen und nicht einmal der Wunsch, dass es perfekt sein sollte. Zum ersten Mal ging es mir danach besser und ich hatte meine Wut ausgelebt. Jedesmal, wenn ich jetzt dieses Gemälde betrachte, spüre ich, wie es mir in diesem Moment ging und es erinnert mich daran, dass ich Wut fühlen darf und dass ich damit etwas geschaffen habe, worauf ich selbst auch stolz sein kann. Nun habe ich mich dazu entschieden, dieses Gemälde zu teilen und damit meine Erkenntnis, dass ich vielleicht nie eine Antwort auf mein "Warum?" bekommen werde, aber ich nun weiß, wie ich damit umgehen kann, dass ich meine Wut spüren darf und diese nun auch in Kunst umwandeln kann.